Etappe 33 – Heute geht’s
ans Meer, endlich!

Wahnsinn! Ich bin seit 33 Tagen unterwegs und knapp vorm Ziel. Heute erreiche ich, aller Voraussicht nach, das Meer. Mein großes Ziel ist zum Greifen nah und ich kann es gar nicht glauben, dass es heute soweit sein soll. Doch zuvor habe ich noch einige Kilometer zu bewältigen – ungefähr 30. Das ist wieder eine große Zahl, die einem am Anfang des Tages unbewältigbar erscheint und am Ende des Tages als große Leistung für das beste Gefühl überhaupt sorgt. Also los geht’s!

Ich verlasse Gradisca über die große Brücke und überquere ein weiteres Mal, bevor ich sie dann endgültig hinter mir lasse. Sie hat mich die letzten Etappen ständig begleitet und so ein vertrautes Gefühl in mir erzeugt für das ich sehr dankbar bin. Das Wetter ist wieder mal ein Traum. Nach zwei Tagen Regen scheint die Sonne vom Himmel und begleitet mich meine letzten Tage am Trail. Daran wird sich auch nichts mehr ändern. Das motiviert mich zusätzlich.

Ich erklimme den ersten Berg. Es klingt sehr lustig, denn ich spreche hier immer nur von ca. 200 Höhenmetern. Wenn ich daran denke, wie das in Kärnten war. Da hatte ich Anstiege mit 1.700 Höhenmetern zu bewältigen. Aber ich bin ganz froh darüber, dass ich mich jetzt mehr oder weniger am Meeresspiegel entlang handle. Das macht den Trail ja so einzigartig und interessant. Schon bald erreiche ich die Aussichtsplattform. Ich staune, welche Landschaft sich vor mir entfaltet. Berge, Flüsse und Städte liegen mir zu Füßen und ich kann Teile meines Weges der letzten Tage ausmachen.

Doch das wirkliche Highlight befindet sich auf der anderen Seite des Hügels. Ich gehe vorbei an den Schützengräben, ein Überbleibsel aus dem Krieg, und entdecke eine zweite Aussichtsplattform. Und dann ist es soweit. Ich sehe das Meer. Ich kann nicht behaupten, dass mich das kalt lässt, im Gegenteil. Mir rinnen die Tränen über die Wangen und mich übermannt ein Gefühl des Triumphes und des Stolzes. Das Ziel liegt so nah und ich habe es aus eigener Kraft bin hierher geschafft. Das fühlt sich gut an. Wirklich gut. Es geht durch den Wald abwärts – Wiesen und kleine Wege entlang und durch kleine Ortschaften. Immer wieder melden sich Verehrer von Pixi an den Gartenzäunen lautstark zu Wort.

Bei manchen habe ich ganz schön Respekt und mache einen etwas größeren Bogen. Bei anderen lass ich Pixi entscheiden. Es wirkt, als würden sie sich in der Sekunde nur durchs Sehen verlieben, anschnüffeln und dann verhalten sie sich als könnten sie ohne den anderen nicht mehr leben. Ist wirklich süß anzuschauen und ich muss immer wieder lachen. Kurz vor dem Lago di Doberdo geht es steil bergab. Hier sind die Wanderstöcke wieder ganz nützlich. Wieder einmal überrascht mich die gute Beschaffenheit des Weges. Es ist alles perfekt beschrieben und es sind Stufen und Handführungen angebracht, die einem ein unbeschwertes Trailen ermöglichen.

Die Hälfte der heutigen Etappe ist geschafft. Der Weg führt weiter durch das Gebiet rund um den See und über einige Hügel. Der Boden ist trocken und es geht recht eben mit einigen kleinen Anstiegen dahin. Für viele Trailer endet hier die Etappe, aber ich habe etwas anderes im Kopf.

Warum nicht noch schnell das Schloß Miramare besichtigen, wenn man schon hier in der Gegend ist. Ich muss Sie kurz warnen. Nach ca. sechs Stunden und 23 Kilometern ist das kein einfaches Unterfangen, aber es zahlt sich definitiv aus.

Folgt man weiter dem Weg der nächsten Etappe, kommt man zu einer Wegkreuzung. Wenn man hier nach rechts abbiegt, statt am See links vorbei zu gehen, führt ein Pfad zum Meer. Zuerst noch asphaltiert und dann über etliche Stufen – vorbei am Bahnhof – durch die Fußgängerunterführung erreicht man nach ungefähr 250 Höhenmetern nach unten das Meer.

Vor allem der Weg wieder hinauf hat es in sich, aber es zahlt sich einfach aus – der Anblick des wundervollen Schlosses bei traumhaftem Wetter umgeben vom glitzernden Meer. Die Leute, die das Wetter hier für ein Bad nutzen strahlen eine Lebensfreude aus, die mich beflügelt. Pixi ist auch motiviert, zögert nicht lang und geht direkt bei der Schiffsanlegestelle des Schlosses ins kühle Nass. Ich hätte es ihr gerne gleichgetan, aber das wäre wahrscheinlich nicht sehr erwünscht gewesen.

Zurück in Prosecco fällt mir auf, dass meine Unterkunft dieses Mal noch einige Kilometer weiter im nächsten Ort ist. Hätte ich das vorher gesehen, hätte ich wahrscheinlich den Umweg zum Schloß ausgelassen. Aber es war trotzdem einmalig und ich will diese Erfahrung nicht missen, wenngleich ich jetzt ganz stark sein muss.

Mein Tipp: Schauen Sie beim Verlassen ihrer Unterkunft immer zuerst, wo die nächste ist, dann können Sie sich ihre Kraft besser einteilen und erleben keine kräfteraubenden Überraschungen.

An diesem Tag habe ich 38 Kilometer zurückgelegt. Mein absoluter Rekord!