Etappe 15 – Wie die wahrscheinlich anstrengendste Etappe zu meiner Lieblingsetappe wurde.

Nachdem in den Hütten/Hotels das Frühstück meist erst gegen 07:30 Uhr startet und ich nicht immer Lust auf ein Lunchpaket habe, nehme ich auch heute meine Etappe etwas später in Angriff. Ich freue mich immer sehr, wenn in den frühen Morgenstunden das Licht so toll ist und man zusehen kann, wie die Sonne sich über die Wiesen und Berge ausbreitet und an Kraft gewinnt.

Die Strecke heute hat es in sich. Mit dem Predigerstuhl (2.170) und dem Pfannnock (2.254) stehen gleich zwei Gipfel am Programm – ich werde auch an einigen idyllischen Bergseen vorbeikommen bzw. gleich zu Beginn an der Zunderwand und einen langen Abstieg bewältigen müssen. Also auf geht‘s!

Der Untergrund ist anders als sonst. Nach kurzer Eingehphase auf befestigter Straße wird der Untergrund felsiger. Entlang des gut markierten Weges achte ich sehr genau darauf, wo ich hintrete. Die Felsen werden immer größer und manchmal sind auch Sprünge nötig, um vorwärts zu kommen. Ich finde es großartig. Diese Art von Wandern gefällt mir irgendwie. Ich komme zügig voran, passiere den Nassbodensee und mache mich auf zum Predigerstuhl. Wieder bin ich allein. Die Rufe eines Murmeltiers sind aus der Ferne zu hören.

Direkte Route

Wer den See nicht unbedingt sehen möchte und lieber den direkten Weg entlang der Zunderwand gehen möchte, kann das gerne machen. Ich hab nicht blöd geschaut, als sich die Kollegen vom Frühstück, die gemütlich nach mir gestartet sind, plötzlich vor mich geschoben haben. Also ja, der direkte Weg ist definitiv kürzer und ich schätze mal eine halbe Stunde schneller.

Es ist ganz schön windig hier in der Höhe und ich komme aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. Ein Berg reiht sich an den anderen. Die Aussicht ist wirklich atemberaubend und ich mache ein Foto nach dem anderen. Wie kann etwas so Schönes vor meiner Haustüre liegen ohne dass ich es bis jetzt wahrgenommen habe? Ich kann sagen: Die Nockberge haben mich an diesem Tag verzaubert.

Emotion pur

Am Predigerstuhl kommen mir das erste Mal die Tränen. Ich bin glücklich darüber, dass ich diese Momente, auch mit Pixi, erleben darf. Es erfüllt mich mit Stolz, dass ich jetzt über zwei Wochen unterwegs bin und in diesem Moment wird mir bewusst, wie sehr diese Reise mein Leben bereichert.
Ich versuche den Moment per Video einzufangen. Wie ich auf dem Gipfel sitze, die Haare im Wind wehen und ich weit ins Land schauen kann. Es ist als würde ich in die Tiefe meiner Seele sehen können.
Das schöne an solchen Moment ist, dass man am Alpe Adria Trail die Möglichkeit hat sie für sich zu erleben, weil man nicht von Menschenmassen umzingelt ist, sondern sehr oft es einfach eine Sache zwischen Mutter Natur und einem selbst ist.

Da ist doch noch ein zweiter Gipfel

Wieder gesammelt gehe ich den Grad entlang und sehe in der Ferne schon mein nächstes Ziel. Was, da soll ich zuerst runter und dann wieder rauf? Früher hätte ich das wahrscheinlich als Tagestour beschrieben. Heute werden wahrscheinlich wenige Stunden dafür reichen. Beim Abstieg bin ich wieder sehr froh über meine Stecken. Sie entlasten meine Knie dann doch sehr gut.

Mein Tipp: Bei langen Abwärtspassagen oder sehr kurzen aber intensiven, zahlen sich die Stecken auf jeden Fall aus.

Der Wind bläst ganz schön und ich muss aufpassen, dass er mich nicht aus der Spur bringt. Ich bin auch immer sehr bedacht mit dem Hund keine Aufmerksamkeit bei den Kühen zu wecken und wandern sollte man dann doch auch noch. Hochkonzentriert und laut schnaufend, ja so könnte man das bezeichnen, könnte ich am Zwischenplateau an. „Da geht‘s ja nochmal runter und rauf“, das hatte ich wohl etwas übersehen. Egal, einfach einen Fuß vor dem anderen. Bei so steilen, schmalen und windigen Abschnitten habe ich Pixi immer gut im Rucksack verstaut. Das macht es mir einfacher mich auf den Weg zu konzentrieren. „Ok, das ging schneller als erwartet“. Glücklich sehe ich das Gipfelkreuz vor mir und bitte eine Familie, die dort Pause rastet, ein Bild von mir und Pixi zu machen. Eines meiner Lieblingsfotos übrigens.

Mein Tipp: Egal wie kalt es sich anfühlt, unbedingt mit Sonnencreme eincremen. Ich hab mir an diesem Tag einen Wahnsinns-Sonnenbrand eingefangen. Die Sonne da oben hat eine enorme Kraft. Man weiß es, aber wenn man Gänsehaut hat, denkt man vielleicht nicht daran – schwerer Fehler!

Endlich kann ich zu den beiden Bergseen absteigen, die ich jetzt schon seit einiger Zeit im Blickfeld habe. Einmal nur kurz die Füße ins kühle Nass tauchen und vielleicht ein, zwei Minuten am Ufer relaxen. Pixi ist begeistert. Dort will doch tatsächlich ein kleiner Dackel mit ihr spielen. Die zwei sausen um die Seen, springen über Stock und Stein und jagen sich dort am Berg wirklich 30 Minuten gegenseitig. Es ist wirklich sehr lustig anzuschauen. Nach diesem Tag braucht mir niemand mehr erklären, dass mein Hund so arm ist, dass er mit seinen kurzen Beinen doch nicht den Alpe Adria Trail gehen kann. Doch, er kann und er hat anscheinend noch immer ausreichend Energie.

Der Abstieg zur Hütte

Langsam machen wir uns auf den Weg. Wir haben noch ein ganz schönes Stück vor uns. Vorbei an der roten Burg, einer roten Felsenkombination, über Almwiesen bis in den Wald, der uns sehr direkt nach unten zum Falkerthaus bringt.

Ich spiele schon mit dem Gedanken dort einzukehren und einen Fisch zu essen, der da überall angepriesen wird, aber ich entscheide mich dann doch lieber für die Dusche in meiner Unterkunft, der Lärchenhütte. Was ich zu diesem Zeitpunkt nicht wusste: es geht nochmal kurz steil bergauf. Ich aktiviere meine letzten Reserven und schleppe mich hinauf.
Mir kommen sehr entspannte Italiener entgehen. Am besten hat mir das Wanderoutfit von einer Dame gefallen: Weiße lange Hose, weißes T-Shirt mit Glitzersteinen, ein Guess-Lederrucksack und eine 0,5-Liter-Wasserflasche. Aber wahrscheinlich war ich nur eifersüchtig, denn ich dagegen roch wahrscheinlich nicht gerade vorteilhaft, der Schweiß tropfte mir von der Stirn und ich schnaufte wie ein Nilpferd. Egal, dafür machte mein Herz einen riesigen Sprung, als ich die Lärchenhütte erreichte.

Schon wieder ein Hund für Pixi, diesmal ein männlicher Malteser und wieder ging’s rund. Wo nimmt sie nur die Energie her. Ich war komplett erledigt.

Gastfreundschaft & Herzlichkeit

Ich sitze dort auf der Bank vor der Hütte, die Wirtin kommt mit einem Lächeln auf mich zu und meint: Ah, du musst unser Hausgast sein. Was hättest du denn gerne? Ich bestelle ein alkoholfreies Bier, sie bringt es und setzt sich zu mir. Sie fragt mich, was ich gerne essen möchte, zeigt mir das Zimmer und vor allem die Dusche 
Als ich wieder frisch bin, gehe ich nach unten und setze mich an einen Tisch.
Die Wirtin, Heidi, deutet mir aber gleich, dass ich mich an den Tisch der Hausgäste setzen soll und stellt mich der Runde vor. Bei 4 Zimmern geht sich das gut an einem Tisch aus. Ich bin begeistert. Seit 15 Tagen bin ich unterwegs. Wie viele Abende musste ich alleine vor einer Zeitung Abendessen und jetzt komme ich in diese Hütte irgendwo in den Nockbergen und fühle mich in der Sekunde wie zu Hause. Ein großartiges Gefühl und ich bin sehr dankbar dafür.

Ein Essen der Sonderklasse

Ich habe eigentlich immer gut gegessen, aber an diesem Abend hat es nicht zuletzt wegen der Gesellschaft einfach am besten geschmeckt. Grüner Salat mit Kaspressknödel aus der Pfanne und danach ein Kaiserschmarren mit Schwarzbeeren. Da habe ich zwei Tage später noch davon gegessen. Ein Gedicht!

Mein Tipp: Alpe-Adria-Trail Wochenende planen und in der Lärchenhütte nächtigen. Die Hütte ist übrigens zur besten Schihütte gewählt worden ohne an einer Piste zu liegen. Ich finde das so passend.

Man merkt, dass Heidi und ihr Mann, das was sie tun, sehr gerne tun und noch dazu Produkte verarbeiten, die sie im eigenen Bauernhof erzeugen. Eine gute Kombi. Ich komme auf jeden Fall wieder!

Der Abend wurde noch sehr nett. Ich musste auch noch den einen oder anderen Schnaps kosten, aber da ich am nächsten Tag früh raus wollte, alles mit Maß und Ziel.